Christrose


Christrose – Helleborus niger

Die Christrose, Helleborus niger, spielte im Mittelalter eine symbolische und religiöse Rolle. Sie erhielt ihren Namen aufgrund ihrer Blühtezeit zu Weihnachten. Sie wurde mit der Geburt Christi in Verbindung gebracht und galt als eine Blume, die Wunder und Hoffnung im Winter verkörpert. Sie wurde oft in Kirchen und Klöstern kultiviert und während der Weihnachtszeit in religiösen Zeremonien verwendet.

Die Etymologie des griechischen Wortes Helleboros ist nicht geklärt. Meist werden die Giftigkeit (λεν = umbringen) der Pflanze oder das Flüsschen Helleboros in dem antiken Habitat nahe der Stadt Antikyra (Phokis) als Namensgeber genutzt. Die pharmazeutische Anwendung der schwarzen Christrose wurde aus antiken Pflanzenbüchern, allen voran dem Herbar des Dioscurides, im Wesentlichen in die Neuzeit übernommen: Die abführende Wirkung sollte Nierenschmerzen, Harnstau, Wassereinlagerungen, Bauchschmerzen und Lähmungserscheinungen lindern sowie Erbrechen herbeiführen. Ferner sollte die Wurzel, in die Ohren gesteckt, Schwerhörigkeit heilen. Die desinfizierende Wirkung sei nach antiken Autoren bei Hautkrankheiten, Zahnschmerzen und Hausputz angezeigt. Vor der Giftigkeit des Helleborus müsse man sich vor allem beim Ausgraben hüten. Der Sammler sollte vorher zu seinem Schutz Wein und Knoblauch zu sich nehmen und zu Apoll und Asklepios beten. Außerdem müsse der Flug des Adlers beobachtet werden, da sich dieser als Todesbote dazugeselle, wenn er das Sammeln der Rhizome beobachte. Die Wurzel müsse rasch ausgegraben werden, weil der beißende Geruch Kopfschmerzen verursache. Da der Helleborus, wie der deutsche Begriff „Nieswurz“ verrät, zum Niesen anregt, maß man ihm eine den Geist anregende wie reinigende Wirkung zu. Durch heftiges Reiben der Wurzel in der Nase sollte so durch Niesen überschüssiger und schädlicher Schleim den Körper verlassen. Nach antiker Säftelehre wurden nervöse Störungen und psychische Leiden durch ein Übermaß an schwarzem, bitterem Schleim verursacht, das man durch Niesen am besten reduzieren könne. Die Christrose wurde daher ferner als Medizin gegen Kopfschmerzen, Epilepsie und Wahnsinn eingesetzt. Horaz rät in seinen Satiren, gegen die größte Verrücktheit im römischen Reich, dem weit verbreiteten Geiz, die gesamte Dosis an Nieswurz zu verabreichen, die sich um Antikyra finden lässt. Der literarische Topos der „Kur des Melampus“, die aus einem Purgationsmittel von Milch und einem Nieswurzelextrakt bestand, wurde gegen Rinderwahn, der auch Menschen befallen kann, seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. mehrfach beschrieben. Ebenso soll Herakles vom Wahnsinn mittels Helleborus geheilt worden sein.

Die reinigende Wirkung der Nieswurz findet sich schon bei den Hippokratischen Heilmethoden, wobei namentlich sowohl die weiße wie auch schwarze Nieswurz Verwendung findet. Die Beherrschung des giftigen Helleborus war nur ausgewiesenen Reinigungspriestern vorbehalten. Die Nieswurz vermochte nach geheimen Riten die innere „Befleckung“ an sich zu ziehen und nach außen zu befördern. Zauberpapyri gingen von einer ähnlich magischen Wirkungsweise aus: Neben Krankheiten sollten auch böse Geister und Dämonen ausgeniest werden. Schwermütige sollten die Wurzel zusätzlich um den Hals tragen. Eine im positiven Sinne reinigende Wirkung des Geistes kann aber nach Plinius ebenfalls durch die Verabreichung von Nieswurz zur Schärfung der Sinne und des Verstandes erreicht werden. Die hochtoxische Wirkung des Helleborus wurde nach Pausanias in dem Krieg gegen die Stadt Kirrha von Solon genutzt, als jener mit den Wurzeln das Flüsschen Pleisthenes vergiftete und so die Stadtbewohner, die auf diese einzige Wasserversorgung angewiesen waren, wenig ruhmreich durch anhaltenden Durchfall zur Kapitulation zwang. Kleistenes von Sikyon soll sich bei der Belagerung von Krissa der gleichen Kriegslist bedient haben. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden Giftgeschosse mit Ranunculusarten wie z. B. Helleborus oder Krötenschleim gefüllt und über die feindliche Festung katapultiert. Diese Art der biochemischen Kriegsführung wurde wegen ihrer Erfolglosigkeit eingestellt, da sich der giftige Qualm allzu schnell verflüchtigte.

Im Mittelalter soll Karl der Große erfolglos die Christrose als Arzneipflanze zur Fiebersenkung auf Meierhöfen kultiviert haben. Das Lorscher Arzneibuch (Ende des 8. Jahrhunderts) weist mehrere Nieswurz-Rezepturen mit purgierender Wirkung aus. Wie andere Arzneipflanzen wurde auch die Christrose in einen mystischen und kosmologischen Zusammenhang eingebunden und überhöht, ohne allerdings eine besondere Bedeutung einzunehmen.

(Siehe https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/christrose/)