
In den schriftlichen Quellen Deutschlands läßt sich der Name porrum bzw. porros bis zum Capitulare Karls d. Gr. und den frühesten Inventaren kaiserlicher Gärten vom Anfang des 9. Jahrhunderts zurückverfolgen. In der Physika der hl. Hildegard (1098-1179) werden sowohl Porrum als auch Lauch genannt. Nach ihren Beschreibungen haben diese Pflanzen jedoch röhrige oder hohle Blätter, wie dies bei der Zwiebel und beim Schnittlauch der Fall ist, aber nicht beim Porree.
Sichere Kunde über den Porree erhalten wir aus den Kräuterbüchern vom Ende des 16. Jahrhunderts an. So gibt Joachim Camerarius aus Nürnberg (1586 geschrieben, 1626 gedruckt) in seiner Neubearbeitung eines älteren Kräuterbuches von Mattioli aus Siena Abbildungen und Beschreibungen mehrerer Allium-Arten, von denen folgende mit heutigen Namen sicher zu identifizieren sind: Porree, Schnittlauch, Schalotte und Zwiebel (Abb. 59). Vom Porree ist sowohl eine junge, nicht blühende Pflanze als auch ein überwintertes, blühendes Exemplar abgebildet. Vergleicht man dies mit unserem heute angebauten, so fällt die Veränderung im unteren Stengelteil auf. Der von 1586 besitzt an der Basis eine Zwiebel, unser heutiger ist dort nur schwach verdickt. Der Porree hat die Fähigkeit, unter bestimmten Bedingungen Zwiebeln zu bilden. Wird nämlich der Blütenschaft, der im zweiten Jahr emporwächst, frühzeitig abgeschnitten, entwickeln sich an der Stengelbasis eine bis mehrere Zwiebeln.
Die ältesten Nachweise von Lauch stammen aus Ägypten, und zwar aus dem Neuen Reich (18.-20. Dyn., 1550-1320 v. Chr.) und aus der Spätzeit (bis zur 24. Dyn., 7. Jh. v. Chr.). Es handelt sich um Pflanzenfunde in Gräbern. Bildliche Darstellungen fehlen. Das Älteste sind Beigaben von mehreren Stücken mit Blättern und Wurzeln im Grab des Taiyn (18. Dyn.).
Der hieroglyphische Name für Lauch ist belegt seit dem Anfang des Mittleren Reichs (ab 11. Dyn., 2050-1991 v. Chr.). Das Wort Lauch hat aber auch die Bedeutung für Gemüse im allgemeinen.
In Blumengebinden aus Mumiengräbern sind von Georg Schweinfurth Blätter von Allium kurrat nachgewiesen worden. Kurrat ist eine porree-ähnliche Lauchart, dessen Blätter heute noch unter dieser Bezeichnung in Ägypten, dem Yemen und in Palästina als Salat, Würze und Aphrodisiakum gegessen werden. In Griechenland und im Römischen Reich, zur Zeit des klassischen Altertums, sind außer Zwiebeln und Knoblauch auch Lauch(Allium)arten zur Nutzung der grünen Blätter als Gemüsepflanzen angebaut worden. In Italien wurden zwei Arten unterschieden: porrum capitatum und porrum sectivum. Ersterer entspräche unserem gewöhnlichen Porree, der zweite wurde mehrmals abgeschnitten, weil vermutlich die Blätter als Gemüse genutzt worden seien. Die letztgenannte Pflanze kann aber auch eine andere Allinm-Art gewesen sein.
Porree gibt es nicht als Wildpflanze. Sein nächster Verwandter ist der wilde Sommerlauch (Allium ampeloprasum L.). Dieser wird seit dem großen französischen Botaniker De Candolle (1883) als direkte Stammform des kultivierten Porrees angesehen. Der wilde Sommerlauch ist einheimisch im Mittelmeergebiet, in Kleinasien (Türkei), im Vorderen Orient und in Nordafrika (nach Hegi). Eine Vorstellung von der Pflanze in Mittelitalien gibt Taf. 79. Jede Pflanze bildet einen einzigen, unverzweigten, runden Stengel. An dessen Spitze steht eine große, halbkugelige Blütendolde, die je nach Blütenzustand rosarot oder grünlich-weißlich ist. Der Stengel ist in der unteren Hälfte bis etwa ein Drittel Höhe mit drei bis vier schmalen, flachen Laubblättern besetzt, von denen jedes Blatt eine nach unten bis zur Zwiebel reichende Blattscheide bildet. Die in der Erde wachsende Zwiebel ist zwischen 2 und etwa 5 Zentimeter breit, weißhäutig und besteht aus 2-3 (bis 5) Teilzwiebeln, auf deren Rücken je eine kleine etwa erbsengroße Brutzwiebel (Bulbille) sitzt. Man sieht die Pflanzen in Gras- oder niederer, halboffener Strauchvegetation (Garigue), sogar direkt neben den Straßen. Von dort mitgebrachte Zwiebeln trieben im folgenden Frühjahr schon nach einer Woche aus. Nach einem Monat hatten sich bis zu 25 Zentimeter hohe Pflanzen mit je vier langen, schmalen Blättern und geschlossenen Blattscheiden entwickelt. Von unserem Lauch (Porree) unterscheiden sie sich vor allem durch eine grasgrüne (statt blaugrüne) Farbe und dünnerem, mehr in die Länge gestrecktem Wuchs. Sie lassen sich deutlich von der heutigen Kulturart unterscheiden. Allium ampeloprasum soll im ersten Teil unseres Jahrhunderts stellenweise auch in Mitteleuropa angebaut worden sein, z. B. bei Erfurt und Nürnberg, in Südwestengland, in Westirland und in Westfrankreich. Die kleinen, weißen Zwiebelchen wurden als sog. Perlzwiebeln für Speisezwecke gebraucht, u. a. für die Mixed Pickles oder gesondert in Essig eingelegt. In England und Frankreich findet sich diese Pflanzenart heute noch in den früheren Anbaugebieten in verwildertem Zustand. Für Deutschland wird sie in den Floren nicht angegeben.
Das nahe Verwandtschaftsverhältnis zwischen Porree und dem wilden Sommerlauch spiegelt sich auch in der gleichen Chromosomenzahl (2n = 32) wider, die dann nur noch der ägyptische Kurrat hat. Eine grundlegende botanische Bearbeitung der kultivierten Allium-Arten samt ihren wilden Vorfahren oder Verwandten hat Helm (1956) gegeben.
Wir haben den Porree jedenfalls ursprünglich aus Italien und wahrscheinlich im Laufe des Mittelalters bekommen. Theoretisch wäre es denkbar, daß er auch schon während der Römerzeit im römischen Germanien gezogen worden ist. Funde gibt es bisher noch keine. Aber da der Porree aus Samen vermehrt wird und diese eine gut kenntliche Form und Struktur haben, darf damit gerechnet werden, daß diese in römischen Gruben- oder Brunnenfüllungen auftauchen, so wie es bei anderen Pflanzen der Fall war (z. B. bei der Garten-Melde, Rübe/Mangold, Dill, Sellerie).
Nach Körber-Grohne, Udelgard. Nutzpflanzen in Deutschland: Kulturgeschichte und Biologie. Theiss, 1987, S. 255 ff.