Gurke


Es ist merkwürdig, daß im prähistorischen Indien aus den steinkupferzeitlichen großen Städten der Indus-Kultur (wie Harappa, (ca. 2500 v. Chr.)) unter den zahlreichen Überresten von pflanzlichen Nahrungsmitteln zwar Melonensamen, aber keine Gurken gefunden worden sind. Die ältesten Gurkensamen aus archäologischen Ausgrabungen fand man in der assyrischen Stadt Nimrud aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. Diese Stadt lag am Oberlauf des Tigris (heutiger Iran). Hier war bei der Ausgrabung ein mit Abfällen zugeschütteter Brunnen freigelegt worden, in dem sich auch Speisereste fanden: Gerste, Linsen, Weizen sowie Obstkerne von Weinreben, Feigen, Granatäpfeln und die genannten Gurkensamen.

Im alten Griechenland haben Theophrastos (371-287 v. Chr.) und Dioskorides (1. Jh. n. Chr.) eine Nutzpflanze mit siküos, siküs oder sikyon bezeichnet. Es sei eine kühlende Speise. Bei den Römern hießen entsprechende Früchte cucumis. Über die Pflanze erfahren wir bei nden Römern, daß man die Früchte auch in Tongefäßen einlegte und zwar mit Weinhefe oder in Salzlake oder in Essig. Von den schriftlichen Verzeichnissen des deutschen Mittelalters werden im Capitulare Karls d. Gr. (um etwa 800) Cucumeres genannt. Cucumer heißen die als Gurken gedeuteten Nutzpflanzen auch bei Albertus Magnus (13. Jh.). In der Physika der hl. Hildegard von Bingen (12. Jh.) wird dieser Name nicht aufgeführt. So groß die Zweifel sein können, ob unter Cucumer im Mittelalter wirklich Gurken und nicht etwa andere Früchte derselben Pflanzenfamilie verstanden wurden, wie z. B. Melonen oder Flaschenkürbisse, so geht doch aus den beiden Holzschnitten von Joachim Camerarius (1586, gedruckt 1626) deutlich hervor, daß Gurken dargestellt sind. Man sieht auf dem lınken Bild die warzige Oberfläche der Früchte, auf dem rechten Bild die sehr lange, schlanke Form. Beide haben kleine Blüten, während Melonen und Kürbisse große Blüten besitzen. Fast alle Fundstellen von Samen aus archäologischen Ausgrabungen liegen in Osteuropa und Ostdeutschland.

In Krakau fanden sich die ältesten, schon aus der Zeitspanne zwischen 650 und 950 auf dem Wawelhügel. Sie lassen sich dann kontinuierlich bis 1250 verfolgen. In Breslau lagen Gurkensamen in den Schichten des 11. Jahrhunderts. In der Tschechoslowakei sind sie in mehreren Alstadtkernen nachgewiesen worden, wie in Most aus dem 14. Jahrhundert, in Uhersky Brod vom 15. Jahrhundert an. Erst seit dem Zeitalter der Entdeckungen (16. Jh.) haben sich Gurkensamen auch weiter westlich gefunden, bisher nur in Amsterdam.

Emanuel Opravil, der in der Tschechoslowakei viele dieser mittelalterlichen Gurkensamen untersucht hat, bezeichnet die Gurke als ein markantes slawisches Fruchtgemüse.


Gustav Hegi

„Außer den Slawen, die heute noch leidenschaftlichen Verehrer der Gurken, wußten bereits die Lausitzer Wenden (südöstlich Berlin) die schönsten Früchte auch ohne Mistbeete zu ziehen. Noch heute ist der Spreewald die Gurkenkammer von Berlin. Überhaupt spielen in Norddeutschland die nach slawischer Sitte in Salz eingelegten‚ sauren Gurken« oder in Essig, Meerettichstückchen, Pfeffer und Senf eingemachten »Essig- oder Senfgurken« als billiges Volksnahrungsmittel namentlich in den heißen, in den Großstädten ruhigen Sommermonaten eine große Rolle. Die stille Zeit des Sommers, Juli und August, hat der Volksmund bekanntlich mit dem Namen »Sauregurkenzeit« belegt. Die »Sauren Gurken« schmecken infolge einer Milchsäuregärung sauer, wobei die in Salzwasser sich entwickelnden Milchsäurebazillen aus dem Zucker der Gurke Milchsäure bilden, ohne daß auch nur ein Tropfen Essig dazukommt.“

Gustav Hegi (1876 – 1932), Schweiz

Die Hauptanbaugebiete für Gurken in Deutschland lagen in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts außer im Spreewald bei Berlin um Erfurt, Halle, Naumburg, Quedlinburg und in Schlesien sowie stellenweise in Württemberg (bei Ulm und Stuttgart Untertürkheim).

Nach Körber-Grohne, Udelgard. Nutzpflanzen in Deutschland: Kulturgeschichte und Biologie. Theiss, 1987. S. 304 – 306